Städte

Sonntag, 14. Februar 2010

Mit der Eisenbahn nach 'Villa Devoto'

 

Heute sollte es etwas weiter aus der Stadt hinausgehen. Um zu sehen, wie die Menschen in einer Stadt eigentlich leben, wollten wir auch einmal fern der touristischen Wege schauen. Ausgesucht hatten wir uns für unsere Exkursion den Stadtteil Villa Devoto. Hierhin fährt keine U-Bahn, sondern die Züge, die täglich tausende von Menschen in- und aus der Stadt bringen.

Also rein ins Getümmel zum Bahnhof Retiro. Von hier aus gehen nicht nur die Vorstadtzüge in alle Richtungen, hier ist auch der zentrale Busbahnhof von dem man jeden Punkt in Argentinien erreichen kann (sogar ganz Südamerika). Hier herrscht von früh bis spät ein reges Treiben mit vielen offenen Grills, großen Verkaufsständen für Getränke, Verpflegung usw..

 

Um_den_Bahnhof_Retiro_herum


Allerdings sieht man auch sehr viele Leute erschöpft neben Ihren Habseeligkeiten in der Sonne schlafen. Wir fahren nur 5 Stationen, haben aber trotzdem ganz andere Eindrücke von der Stadt als wir sie bisher gehabt haben.

Schon bevor der Zug den Bahnhof verläßt, preisen die fliegenden Händler im Zug ihre Waren an.

 

Kaum angerollt sehen wir neben den Gleisen einen ganzen Stadtteil, der auf keiner Karte verzeichnet ist. Von Wellblechhüttendörfern bis hin zu ganzen Siedlunden aus ein- bis zweistöckigen, unverputzen, ca. garagengroßen Rohbauten. Alles sicherlich ohne Bauplanung und Architekt notdürftig hochgezogen. Wir schätzen, daß in dieser Siedlung zwischen den Gleisen und der benachbarten Autobahn mindestens 50.000 Leute wohnen. 
 

In Villa Devoto angekommen bietet sich uns ein ganz anderes Bild. Breite, von altem Baumbestand gesäumte Straßen mit Ein- bis Zweifamilienhäusern, jedes individuell gestaltet und Top gepflegt - ein Sammelsurium von Baustilen. Vom kleinen Schwarzwaldhaus mit braunen Klinkern, über amerikanisch anmutenden Bungalows bis hin zu alten Villen im Bauhausstil.
 

In_dem Stadtteil_Villa_Devoto


Auch hier ist unser Ziel eines der 'Bares Notables', dem 'Café de Garcia'. Neben vielem alten Krempel, stehen hier drei mächtige Billiardtische aus den 40er Jahren, die natürlich noch in Betrieb sind. Ganz gemütlich geht es hier zu - völlig anders als in der hektischen Metropole.

 

Café_de_Garcia

 

Wir erwandern den Stadtteil bis die Füße müde werden, steigen in den Bus und fahren zur Av. Boedo. Auch eine geschichtsträchtige Straße in einem Stadtviertel, welches nicht von vielen Touristen angesteuert wird. Die Straße ist hier abgesperrt. Es scheint so, als würde hier ein Straßenfest vorbereitet.

Wir setzen uns ins 'Café Margot' und lesen in der Karte von deren Spezialität. Hier gibt es seit den 40er Jahren das 'Sandwich de Pavita` , ja es ist hier sogar erfunden worden. Hungrig vom langen Laufen bestellen wir sofort die Spezialität des Hauses. Etwas verwundert sind wir dann schon als wir auf unsere Teller blicken. Beim berühmten Sandwich de Pavita handelt es sich um zwei überaus lappige Brötchen, eines mit Tomate und Zwiebeln und eines mit Hühnerbrust und viel Käse überbacken, begraben unter einem Berg lappigster Pommes Frites. Naja, sättigen tut es schon und das ist in diesem Barrio wohl sehr wichtig. Als draußen die Dämmerung hereinbricht, hören wir ein Stakkato von Trommeln und bunt gekleidete Tänzer tanzen sich in Ekstase - es ist Karneval. 

 

Udo_im_Cafe_Margot

 

Der besteht hier jedoch nicht aus einem großen Umzug, sondern jeder 'Verein', mit seinen eigenen Farben und Kostümen, feiert hier an seiner eigenen Kreuzung mit einigen Grillständen und einer eigenen Bühne. Jedes Kind hat plötzlich eine Sprühdose in der Hand und besprüht Fremde und Seinesgleichen mit Schaum. Alkohol wird nicht angeboten, die ausgelassene Stimmung lag auch eher bei den Akteuren und Kindern, weniger bei den Zuschauern.
 

Karneval_in_Buenos_Aires

 

Groß ist unser Erstaunen, als wir gleich neben dem Cafe Margot an einer anderen Gaststätte ein in Granit gefaßtes Schild entdecken, auf dem der Rotary Club dieser Gaststätte bestätigt, sie hätten das Sandwich de Pavita erfunden. Leider waren wir noch zu gesättigt um einen Vergleich wagen zu können.

 

Sandwich_de_Pavita


Als wir durch die heiße Nacht gen Recoletta gingen trafen wir auf noch zwei weitere Kanevalsgruppen. In einer Nebenstraße stießen wir auf einen, durch die Trommelgeräusche verwirrten Kakerlak, der nicht schnell genug flüchten konnte. Blitzschnell zückten wir die Kamera und hielten den Moment fest und es gelang uns ein einzigartiger Schnappschuß dieses lichtscheuen Gesellen, der hier in Südamerika schon gerne einmal mausgroß werden kann.
 

Ein_verwirrter_Kakerlak

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen