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Samstag, 4. Dezember 2010

In Longarone gibt's Eis, aber nicht nur dort

In strömendem Regen verließen wir unser Hotel in Padova. Selbst die Presse hatte wohl mitbekommen, daß wir heute "Bella Italia", oder sollten wir besser sagen "Italia Freddo", verlassen wollten. Auf einem Tisch in der Empfangshalle des Hotels lag eine italienische Tageszeitung aus der uns 'Ernesto Galli della Loggia' anlächelte. Den Scheibenwischer auf Stellung 3 ging es auf die Autobahn nach Longarone. Dort findet jährlich gegen Ende November die italienische Eismesse "MIG - Mostra Internazionale del Gelato Artigianale" statt. Longarone liegt in den Dolomiten, ganz in der Nähe von Cortina d’Ampezzo oder auch Belluno. 1963 wurde der Ort tragischerweise durch einen Staudammbruch fast völlig zerstört, ebenso kamen damals fast alle 2000 Einwohner ums Leben. Inzwischen wieder aufgebaut, zählt die Gemeinde heute ca. 4000 Einwohner. Architektonisch eher gewöhnungsbedürftig, man könnte auch sagen eher häßlich, treffen sich dort einmal im Jahr die hauptsächlich italienischen Eismacher, die fast alle auch ihre familiären Wurzeln in den Dolomiten haben. Somit ist die Messe natürlich auch ein guter Anlaß alte Bekannte, Freunde und Familienmitglieder wieder zu treffen, die man ja aufgrund der Saisonarbeit fast ein Jahr nicht mehr gesehen hat. Böse Zungen aus der Eisbranche sagen sogar, daß es auf dieser Messe weniger um das Eis ginge, als vielmehr darum die Töchter der feinen Herren Gelatiere standesgemäß unter die Haube zu bekommen. Nun gut, soweit wollen wir nicht gehen, aber seit die Sigep immer Ende Januar in den relativ neuen Messehallen von Rimini stattfindet (seit ca. 8 Jahren), verblaßt Longarone. Das liegt daran, daß bei der Sigep viel mehr Aussteller auf viel größerer Ausstellungsfläche Platz finden, die Verkehrsanbindung und die Übernachtungsmöglichkeiten weitaus besser sind und zudem der Anteil von internationalen Besuchern dort stetig zunimmt. Auch architektonisch macht die Riminimesse etwas her - der Wettbewerb wurde 1997 von Gerkan, Marg & Partner gewonnen, die z.Bsp. auch das Tempodrom in Berlin entworfen haben. Zurück nach Longarone: Wir sind hier dieses Jahr nur ein paar Stunden geblieben, das reicht auch für die sechs relativ gut überschaubaren Hallen aus. Schließlich wollten wir uns eigentlich nur über eine Maschine informieren die wir für die nächste Saison anschaffen möchten. Leider waren wir ja Sonntags in Longarone. Das ist immer auch der Tag, an dem ähnlich wie bei der Grünen Woche in Berlin, auch etliche Bewohner aus Longarone und den benachbarten Gemeinden eine Eintrittskarte lösen, um dann an allen Ständen umsonst Eis kosten zu können. Außerdem wird es jedes Jahr erschreckender, welche Ausstellungsfläche die Aroma, Pasten- und Pulverindustrie in Beschlag nimmt. Diese 'Dr. Oettkers" der Eisbranche - nämlich Mec3, Gelatop, Fabri und einige mehr - füllen inzwischen fast 50% der gesamten Ausstellungsflächen. Alle Außendienstmitarbeiter dieser Firmen werden zur Messe zusammengetrommelt und müssen nun die Startaufträge der neuen Saison einfahren. Für neue Produkte aus den Aromaküchen scheinen Sonderkonditionen und höhere Provisonen zu gelten. Letztlich lohnt dieser Aufwand wohl, denn schätzungsweise 80 bis 90% des sogenannten "Gelato Artigianale" wird inzwischen mit Hilfe dieser Pülverchen und Pasten hergestellt. Auch wenn uns mehrmals im Jahr nervige Außendienstmitarbeiter dieser Aromafirmen in unserer Eisdiele aufsuchen um uns vom Gegenteil zu überzeugen - wir mischen da nicht mit. Wir kommen völlig ohne diese Pasten, Pulver und Sprintprodukte aus. Schließlich gibt es ja noch echte Früchte, echten Yoghurt und auch frische Nüsse aller Art, woraus man herrliches Eis herstellen kann - wenn man sich die Arbeit machen will und auch bereit ist ein paar Euro mehr für die Rohstoffe auszugeben. Wir wollen. Wir waren also tatsächlich im Hellen fertig und konnten uns auf den Weg durch die Dolomiten bis nach Innsbruck machen, wo wir unser Nachtlager aufschlagen wollten. Ziemlich aufregende Fahrt durchs frisch verschneite Gebirge. Wir ließen uns durch das Schneckentempo eines Rentners vor uns nicht aus der Ruhe bringen und fuhren gemächlich bei 30 Stundenkilometern bestimmt 60 km hinterher, während die Schlange hinter uns mit ca. 20 italienischen Autofahren kurz vor dem Herzinfarkt vor Nervosität stand. Dann endlich auf die berühmte Brennerautobahn und gegen 19 Uhr im Hotel. Das letzte Mal in Innsbruck hatten wir leckere Nudelgerichte im Solo Pasta gegessen, leider haben die Sonntags und Montags ihren Ruhetag. Etwas unschlüssig wo wir denn dann unser Abendessen einnehmen sollten, sprach uns ein netter jüngerer Herr an: ..."Was suchts denn?"... Er sagte wie sollten doch einfach ins Cafe Central um die Ecke gehen - die hätten eine anständige bürgerliche Küche - Recht hatte er, vielen Dank für den Tip - solche Tips machen Spaß. Wir nahmen uns vor, fortan auch in Berlin Touristen gegenüber hilfsbereiter zu sein und setzten uns in dieses typisch österreichische Caféhaus. Klassisch - ein Klavierspieler direkt am Eingang, die typischen Kellner in ihrer leicht derangierten Kleidung, sehr korrekt und freundlich, und auch das Essen hat überzeugt. Keine Gourmetkarte, aber die Gerichte waren nicht aus Convenienceprodukten zusammengesetzte Kreationen, sondern tatsächlich in der eigener Küche zubereitet und sehr schmackhaft. Herrlich auch die Mischung der Gäste - ein paar Schüler an einem Tisch, zwei ältere Damen an einem anderen, hinten zwei ältere Herren die in einem Berg Zeitungen vertieft waren und neben uns ein älterer Herr indischen Aussehens, der mit seinen Blicken mit jedem im Raum flirtete, ganz besonders mit einer jüngeren Dame an einem Tisch ihm gegenüber, die in einem Salat stocherte. Am nächsten Tag dann noch die 760km bis nach Berlin. Auf der A9 waren nach Einbruch der Dunkelheit chaotische Zustände. Ein querstehende Kleintransporter auf der mittleren Spur, zig' LKW's im Straßengraben, etliche endlos scheinende Staus auf der Gegenseite, überall Blaulicht und Spinner in so Landroverkisten, die meinten ihnen könnten derartige Witterungsbedingungen nichts anhaben - einen von denen haben wir später allerdings auch im Graben gesehen. Wir haben es auf jeden Fall in unserem japanischen Kleinwagen gut bis nach Hause geschafft und wir verabschieden uns von Euch bis kurz vor Weihnachten - dann melden wir uns aus der Sonne - hahaha.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Padova und Venedig


In Padova angekommen führte uns die Navigation auf einen Acker am Rande der Autobahn mit einem kleinen Haus. Das konnte nicht unser Hotel sein. Während wir versuchten den richtigen Weg zu recherchieren, hielt neben uns auf dem einsamen Acker ein Auto. Der Fahrer fragte mit Blick auf unsere Technik, ob wir hier spionieren wollten. Aufatmen und wertvolle Tips beim Gegenüber, als wir antworteten: ..."Wir sind auf der Suche nach dem Hotel soundso"... Offenbar hatten in letzter Zeit schon häufiger Leute bei ihm geklingelt und nach der Rezeption gefragt.

Kurze Zeit später konnten wir dann tatsächlich einchecken. Trotz dichten Nebels wagten wir uns noch auf einen Rundgang durch die Stadt und landeten zunächst am Platz "Prato della Valle". Die mittelalterliche Kulisse der Stadt erschien uns im Nebel wie das Scenario für einen Vampirfilm.


Es war nicht viel los auf den Straßen Padovas, trotzdem machten wir noch einen ausgedehnten Spaziergang durch die Gassen der Altstadt.

Anzumerken sei an dieser Stelle etwas über das Ausgeh- , beziehungsweise Einkaufsverhalten der Italiener. Es gibt eine längere Mittagspause - zwischen 13 und 16 Uhr machen die meisten Geschäfte zu. Danach setzt bis 20 Uhr eine ziemliche Nervosität ein. Mit dem Auto kommt man dann kaum in die Innenstädte oder auch wieder heraus, besonders die Einkaufszonen sind voller Menschen und überall in den Geschäften und Cafés herrscht Hochbetrieb. Wow - denkt man dann, das macht ja richtig Spaß dieses Tohuwabohu beobachten zu können. Kommt man aber zu einer anderen Zeit, eben während der Mittagspause oder nach 20Uhr, sind die Städtchen oft wie ausgestorben. Das kann manchmal ziemlich nervig sein, wenn, wie z. Bsp. hier in Padova, der letzte Bus in Richtung Hotel um 20Uhr10 fährt.

Am nächsten Tag wurden wir wieder einmal durch heftigen Regen geweckt, der laut auf die Fensterbänke prasselte - na, was soll's, wir sind ja nicht aus Zucker. Unser erster Weg führte uns zur zentral gelegenen Markthalle am "Piazza delle Erbe". Heute aufgrund des Wetters nicht sehr belebt, doch die Lädchen im "Palazzo della Ragione", der direkt am Platz liegt, bieten eine tolle Auswahl an regionalen Spezialitäten an.


Wir kauften uns ein wenig frisch geräucherte Büffelmozzarella zum Sofortverzehr. Gerne hätten wir auch einiges anderes probiert, was jedoch mangels Kochgelegenheit leider nicht möglich war. Auch für Padova hatten wir eine Eisladenempfehlung, die wir hiermit gerne weitergeben. Die Cioccogelateria Venchi, einer von knapp 20 Shops des Schokoladenherstellers Venchi hier in Norditalien, wo nicht nur Schokolade, sondern auch sehr leckeres Eis angeboten wird.


Nun waren wir gespannt auf das "Café Pedrocchi", das eines der ältesten Kaffeehäuser Europas sei und ein absolutes Muss für jeden Padova- Besucher - so lasen wir. Als Liebhaber alter Kaffeehäuser können wir von einem Besuch jedoch nur abraten. Inzwischen mehr ein Restaurant als ein Café, war dort von dem alten Glanz absolut nichts mehr zu erkennen.

Am nächsten Tag ging es in der Frühe mit dem Zug nach Venedig. Wie auch schon von Rapallo nach Genua eine 2,90 Euro Strecke pro Weg und Person. Zugverbindungen in ganz Italien findet ihr auf dieser Seite . Viele Vorortzüge in Italien sind ziemlich abgeranzt, aber das gibt's bei der Deutschen Bundesbahn ja auch häufiger. Die Zugverbindung Padova - Venedig wird jedoch mit modernsten Zügen, wie man es auch von Airport-Express-Zügen kennt, durchgeführt.


Trotz der Kälte (Gott sei Dank kein Regen) ist Venedig voller Touristen. Wir beschließen nicht hinter dem Mainstream zur Rialtobrücke und zum Markusplatz hinterdreinzutrotten, sondern richten unseren Schritt vom Bahnhof aus nach links in Richtung Cannaregio.


Unsere Vermutung war richtig, bald sehen wir nur noch wenige Spaziergänger um uns herum, dafür viele Einheimische, die ihrem täglichen Leben nachgehen. Beim Studium der Fährverbindungen kommen wir auf die Idee zur Insel San Michele überzusetzen. Die Friedhofsinsel von Venedig liegt nördlich der Hauptinsel kurz vor Murano. Auf dieser Insel, einer herrschaftlichen Parkanlage nicht unähnlich, waren wir, bei inzwischen herrlichem Sonnenschein, fast alleine. Wir spazierten durch die unterschiedlich angelegten Sektoren zum Grab von Igor Strawinsky, das sich in der Griechisch-Orthodoxen Sektion befindet. Dies scheint die ungepflegteste Abteilung dieses Friedhofes zu sein, was aber wohl daran liegt, daß hier seit ca. 30 Jahren niemand mehr beerdigt wurde.


Zur Abenddämmerung fuhren wir wieder auf die Hauptinsel und suchten hier das Guggenheim, das jedoch bereits um 18 Uhr geschlossen hatte. Ziemlich erschöpft vom Laufen ging es zurück zum Bahnhof Venedig (S)anta (L)ucia und zurück nach Padova. Wenn ihr mehr Fotos von Venedig sehen möchtet, so werdet ihr bei Flickr o.ä. Seiten sicherlich tausende finden. Uns kommt es so vor, als wurde hier in Venedig jeder Stein bereits zigfach abgelichtet. Man fühlt sich aber auch stets wie in einer Bilderbuchkulisse - einfach unglaublich.


Morgen geht's dann weiter zur Eismesse nach Longarone.